Mo, 15.02.2010Bremer Diakoniepfarrer kritisiert «pauschale Beleidigungen» durch Westerwelle

Bremen (epd). Bremens evangelischer Landessozialpfarrer Michael Schmidt hat die Hartz-IV-Äußerungen von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) scharf kritisiert. Der Vizekanzler beleidige pauschal Hartz-IV-Empfänger und damit Millionen Langzeitarbeitslose, protestierte Schmidt, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege im Land Bremen ist. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger für verfassungswidrig erklärt hatte, hatte Westerwelle «sozialistische Züge» in der Debatte um eine mögliche Anhebung der Sätze angeprangert.

   Westerwelle kritisierte, wer dem Volk «anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein». Am Wochenende bekräftigte er seine Kritik. Bremens Landessozialpfarrer sagte dazu, wenn schon von Dekadenz geredet werde, gelte das eher für die Investmentbanker, die zunächst eine weltweite Wirtschaftskrise verursacht hätten und nun wieder üppige Bonuszahlungen einstrichen.
«So wurden enorme Gewinne privatisiert, die Milliarden schweren Verluste aber der Gesellschaft aufgebürdet.»

   Schmidt warf Westerwelle Klientel-Politik für Besserverdienende vor. Das Bundesverfassungsgericht habe die Auffassung der Diakonie und der Wohlfahrtsverbände bestätigt, dass die gegenwärtige Regelung an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien vorbeigehe. Die vom Grundgesetz garantierte Existenzsicherung eines menschenwürdigen Lebens sei damit nicht verwirklicht. Nun müsse der Gesetzgeber schnell handeln und die Regelsätze bedarfsgerecht und Existenz sichernd ausgestalten.

   «Dass die Kindergelderhöhungen der vergangenen Jahre jeweils mit dem Regelsatz verrechnet wurden, war ohnehin schon ein Skandal», sagte Schmidt. Gerade sozial benachteilige Kinder würden damit von der gesellschaftlichen Teilhabe abgehängt. «Und in Bremen und Bremerhaven dürfen wir nicht hinnehmen, dass mehr als 30.000 Kinder keine ausreichenden Hilfen bekommen.» Um das Armutsrisiko für Familien zu verringern, müssten die Kinderregelsätze eigenständig berechnet und durch einen umfassenden Ausbau der Betreuungs-Infrastruktur begleitet werden.

   Dazu gehörten unter anderem ein kostenfreies Mittagessen in Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie kostenfreie außerschulische Bildungsangebote. «Ein in sich stimmiges Hilfesystem verbindet Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten von Geburt an mit umfassenden Hilfen für Familien mit einer ausreichenden Existenzsicherung für alle Personen», sagte Schmidt. So könne verhindert werden, dass Armut in Deutschland weiter vererbt werde und ganze Bevölkerungsgruppen in Ausgrenzung lebten.

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