Mo, 31.05.2010«Bis wir uns wiedersehen» - Rund 1.500 Menschen besuchen ersten Gottesdienst von Margot Käßmann

Hannover (epd). Der Weg zur Kanzel ist diesmal ein Umweg. Gemessenen Schrittes muss Margot Käßmann all jene Besucher des Gottesdienstes umkurven, die sich auf die Stufen des Altarraumes gehockt haben, um noch einen Platz zu ergattern. Die Marktkirche in Hannover ist überfüllt wie sonst nur zu Kirchentagen. Rund 1.500 Menschen wollen an diesem Sonntag die erste Predigt der populären Theologin nach ihrem Rücktritt als Bischöfin und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) miterleben. Manche drücken sich an die Mauerwände, weil das lange Stehen sonst so anstrengend ist.

Drei Monate lang hatte die 51-Jährige nicht mehr in ihrer früheren Predigtkirche gesprochen. Nach einer Autofahrt mit Alkohol am Steuer legte sie Ende Februar alle Leitungsämter nieder und zog sich von einem Tag auf den anderen komplett aus der Öffentlichkeit zurück.
Beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München war sie Mitte Mai wieder erstmals aufgetreten und von tausenden Menschen gefeiert worden.

Auf ihren ersten Gottesdienst in Hannover setzen vor allem viele kirchliche Mitarbeiter große Hoffnungen. Sie haben haben tausende von Flugblättern verteilt und ein Kirchenlied umgedichtet, um Käßmann zu einer Rückkehr ins Bischofsamt zu bewegen. «Wir wollen Margot Käßmann als Bischöfin zurück. Sie ist doch für uns alle ein lang ersehntes Glück», singen sie nach dem Gottesdienstes vor der Kirche und halten Blätter mit ihrem Foto in die Höhe, auf denen sie eine zweite Amtszeit fordern.

In ihrer Predigt spricht Käßmann viel von Schuld und Vergebung:
«Es gibt Neuanfänge nach Schuld.» Allerdings müsse Schuld bekannt werden, damit Versöhnung möglich sei. Niemand sei perfekt, alle Menschen seien fehlbar, betont sie unter dem Applaus der Zuhörer. Und mit einer Prise Humor merkt sie etwas später an: «Wenn es Ihnen heute zu eng ist in dieser Kirche - an anderen Tagen werden sie Weite spüren.»

Indirekt lässt Käßmann wie schon beim Kirchentag in München ihre eigene Situation anklingen, ohne sie jedoch ausdrücklich beim Namen zu nennen. Manchmal könne das ganze Leben ins Chaos stürzen, sagt sie: «Ich habe da inzwischen so einige Erfahrungen gemacht in den letzten Monaten, da verstehst du einfach nicht, wie so etwas passieren kann. Und du weißt nicht, wo die Reise hin geht in deinem Leben.»

Draußen regnet es in Strömen. «Sie können von hinten noch reinkommen, damit keiner glaubt, er müsse im Regen stehen», ruft sie den Besuchern souverän moderierend schon eine halbe Stunde vor dem Orgelvorspiel zu. Eine Außenübertragung über Lautsprecher muss wegen des Wetters ausfallen.

Am Schluss dann ein Moment, der sie besonders berührt: «Möge die Straße uns zusammenführen, und der Wind in Deinem Rücken sein,» singt die Gemeinde: «Und bis wir uns wiedersehen, halte Gott Dich fest in seiner Hand.» Käßmann blickt zu Boden und wischt sich mit der Hand Tränen aus den Augen. Doch bald hat sie sich wieder gefangen und lächelt in die Gemeinde. Noch weiß niemand, wie ihr weiterer Weg aussehen wird.

Beim Ausgang schüttelt sie jedem, der es möchte, die Hand. «Danke, alles Gute», hört sie immer wieder. «Ich habe viel an Sie gedacht», sagt ein älterer Mann. Digitalkameras klicken, ein Buch wird signiert, ein Konfirmand lässt sich den Gottesdienst-Besuch abzeichnen. «Wir wollen Sie behalten - 100 Prozent», sagt eine Frau.

Der Mediziner Hans-Jürgen Matz (56) aus Hannover findet es sympathisch, dass Käßmann als Bischöfin nicht über eigene Fehler hinweggegangen sei wie manche Politiker: «Ich schätze sie als Mensch, als Christ und als Vorbild.» Und Else Olbricht (76) ist sogar aus Wuppertal zu dem Gottesdienst angereist. «Frau Käßmann hat der evangelischen Kirche einen Schub nach vorn gegeben. So jemand darf man den Bürgern nicht vorenthalten.»

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