Fr, 04.03.2011Alterspsychiater: Demenzkranke zu Hause besser aufgehoben als im Heim

Hannover (epd). Demenzkranke Menschen sind nach Ansicht des Alterspsychiaters Ulrich Diekmann in ihrer eigenen Wohnung besser aufgehoben als in einem Heim. «Solange jemand in seiner gewohnten Umgebung lebt, bekommt er am meisten hin, mehr als in fremder Umgebung», sagte Diekmann am Freitag im epd-Gespräch am Rande eines Fachtages der Evangelischen Erwachsenenbildung Niedersachsen in Hannover. Der Mediziner ist Leiter der Gerontopsychiatrischen Klinik am Psychiatrischen Krankenhaus in Wunstorf bei Hannover, die jährlich rund 1.800 Demenzkranke ambulant und stationär behandelt.

Nach seiner Beobachtung sind die Menschen, die unter einer Demenz leiden, heute älter als noch vor 20 Jahren. «Die Demenz hat sich in den Bereich der Hochbetagten verschoben. Der Großteil von ihnen ist über 80 Jahre.» Zwar hätten 30 bis 40 Prozent aller Hochbetagten über 90 Jahre ein Demenzrisiko. Das bedeute aber umgekehrt, dass 60 bis 70 Prozent voll orientiert seien. «Der Normalfall ist, dass wir ohne Demenz in ein hohes Alter gelangen können.»

Pflegenden Angehörigen dementer Menschen rät der Experte dringend, sich Entlastung zu holen: «Der erste Schritt ist immer, genug Luft für sich selbst zu behalten.» So gebe es ehrenamtliche Helfer, die durch Fortbildungen qualifiziert und für sechs Euro pro Stunde zu haben seien. Sie könnten mit den alten Menschen spazieren oder ins Kino gehen oder mit ihnen Freunde besuchen. Erstaunlicherweise sei dieser Dienst bislang wenig nachgefragt.

Auch solle die Wohnung der Dementen angenehm, aber reizarm gestaltet sein. «Demenzkranke werden überfordert, wenn in kurzer Zeit viele Informationen auf sie einprasseln. Je ruhiger die Umgebung, desto einfacher ist es.» Allerdings dürfe auch kein «Gruftklima» entstehen. Demente Menschen könnten trotz nachlassender Gedächtnisleistung glücklich sein. Die Fähigkeit, zu lachen, zu weinen oder sich zu ärgern, sei unverändert vorhanden.

Diekmann warnte auch vor Panik im Blick auf eine drohende Demenz. «Sich mit 60 schon einen Heimplatz zu suchen, ist abwegig.» Demenz in diesem Alter sei tragisch, aber selten. Ein gewisses Maß an Vergesslichkeit sei normal. Kritisch werde es erst, wenn sich die Fälle häuften. Demenz sei «ein schleichender Prozess» und eine Alterserscheinung wie etwa die Abnutzung von Gelenken, die es zu akzeptieren gelte. Durch Medikamente lasse sich dieser Prozess nicht stoppen.

Aufgrund des demografischen Wandels wird Experten zufolge die Zahl der demenzkranken Menschen in Zukunft dramatisch steigen. Derzeit gibt es bundesweit rund 1,3 Millionen Patienten. Pro Jahr kommen bei steigender Tendenz rund 250.000 neu Erkrankte hinzu.

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