Do, 25.09.2014Als das Bier noch protestantisch war - Das Münchner Hofbräuhaus wird 425 Jahre alt

Seine Wurzeln liegen auch in Einbeck

 Von Markus Springer (epd)

Der Reformator Martin Luther war ein leidenschaftlicher Biertrinker. Und er steht genau genommen am Anfang der Geschichte des Münchner Hofbräuhauses. Denn das Vorbild für die Münchner war Luthers Lieblingsbier aus dem niedersächsischen Einbeck.

Einbeck/München (epd). «Der beste Trunk, den einer kennt, der wird Ainpöckisch Bier genennt», soll der Reformator Martin Luther auf dem Wormser Reichstag 1521 verzückt ausgerufen haben. Es war jener folgenreiche Reichstag, auf dem auch der berühmte - aber vermutlich nur gut erfundene - Lutherspruch «Hier stehe ich und kann nicht anders» gefallen sein soll. Nach einer der Redeschlachten soll Herzog Erich von Braunschweig auf dem Reichstag dem streitbaren Augustiner aus Wittenberg einen Krug besagten Biers aus der Stadt Einbeck in seinem Fürstentum gereicht haben. Bierfreund Luther leerte ihn dankbar. Der Reformator war mit seiner hohen Meinung vom «Ainpöckisch Bier» nicht allein. Auch die Münchner Wittelsbacher ließen sich für viel Geld mit dem damals in ganz Europa berühmten Bier beliefern.

Die Einbecker beherrschten die Kunst, durch hohen Stammwürzegehalt ein starkes, süffiges und zugleich lange haltbares Bier zu brauen. In Zeiten ohne künstliche Kühlung ein entscheidender Marktvorteil. Dem bayerischen Herzog Wilhelm V. (1548-1626) wurde das schließlich zu teuer. Wilhelm - Beiname «der Fromme » - nervte es außerdem, dass das teure Importbier auch noch «Ketzerbier» war: Einbeck war seit 1529 evangelisch, und in München hatte man sich von Anfang an als Bastion des alten Glaubens verstanden.

Als vier seiner Finanzberater, die Kammermeister und Räte Strabl, Amasmeyr, Prew und Griesmair, dem Herzog am 27. September 1589 vorschlugen, doch ein eigenes, sozusagen staatliches Bräuhaus zur Versorgung des Hofes zu errichten, war dieser von der Idee elektrisiert. Noch am selben Tag rekrutierte er den Braumeister des Hallertauer Klosters Geisenfeld, Heimeran Pongraz, als Planer, Bauherrn und ersten Braumeister. 1592 nahm in einem alten Hühnerhaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu seiner Residenz, dem heutigen «Alten Hof», das «braune» Hofbräuhaus den Betrieb auf.

Fünf Jahre später übernahm Wilhelms ehrgeiziger Sohn Maximilian die Regierungsgeschäfte. Er verschaffte dem Bräuhaus des Hofes zunächst das lukrative bayerische Weißbräu-Monopol. Dann baute er 1607 ein neues, größeres Sudhaus am heutigen Münchner «Platzl» - also dort, wo sich noch heute das weltbekannte Hofbräuhaus befindet.

Nur mit der Herstellung des süffigen braunen Biers nach Einbecker Art wollte es einfach nicht klappen. Kurzerhand gelang es, einen Einbecker Braumeister mit dem Namen Elias Pichler nach München zu locken. Wie wichtig jenem Pichler Religion und Konfession waren, ist nicht bekannt. Er störte sich jedenfalls nicht daran, aus dem evangelischen Einbeck ins stockkatholische München zu ziehen, wo Herzog Maximilian bald zum Leitwolf der katholischen Partei im Dreißigjährigen Krieg aufsteigen sollte.

Pichler experimentierte und versuchte. Dann, im Frühjahr 1614 - vor genau 400 Jahren -, wurde sein Bier nach «Ainpockhischer Art» erstmals in München ausgeschenkt. Es wurde zum Renner. Nicht sofort, denn zunächst blieb der kostbare Tropfen Hof und Herzog vorbehalten. Es kamen der Krieg und die Schweden: Als am 16. Mai 1632 Gustav Adolf mit seinen gefürchteten Truppen vor der Stadt stand, kaufte München sich Verschonung. Die gewaltige Summe von 300.000 Reichstalern und nicht weniger als 334 Eimer «Ainpockhisch Bier» aus dem Hofbräuhaus (rund 22.000 Liter) hielten die protestantischen Schweden vom Plündern und Brandschatzen der katholischen Stadt ab.

Sechs Jahre später ließ Maximilian den Starkstoff auch ans Volk ausschenken. Spielte bei dieser Entscheidung eine Rolle, dass Maximilian sich als Rollkommandos der Gegenreformation nicht nur die Jesuiten, sondern 1627 auch Paulanermönche aus Italien in die Stadt geholt hatte? Der Legende nach soll das kräftige und deswegen nahrhafte Bier den Münchner Mönchen geholfen haben, die Fastenzeit besser zu überstehen. «Potus non frangit jejunium» - Getränk bricht das Fasten nicht - hatte sogar Papst Pius V. höchstselbst verkündet. Allerdings: Das war, als man ihm während des Konzils von Trient einen nicht minder nahrhaften Kakao aus der neuen Welt kredenzte.

Die Münchner Paulaner griffen lieber zum «Ainpockhischen» aus dem Hofbräuhaus. Bald aber fingen sie selbst an, derlei Bier zu brauen - begleitet von freundlichem Ausschank ans Volk. Dass sie zudem die Stammwürze nochmals verdoppelt hatten, sprach sich in der begeisterten Münchner Bevölkerung schnell herum. Der Doppelbock - noch kräftiger, noch nahrhafter und noch alkoholischer - war geboren. Denn irgendwo auf dem Weg zwischen dem Hofbräuhaus und den Paulanern muss der Münchner Volksmund (oder vielmehr das Münchner Volksohr) das «Ainpock» für «Einbeck» zu «ein Bock» missverstanden haben.

In der Bierstadt München mutierte das von Luther geschätzte Einbecker Bier zum Bockbier. Und die Einbecker Brauerei hat heute einen «Ur-Bock» im Angebot - eine kuriose Spiegelung des eigenen Städtenamens in bayerischer Brechung. Das Hofbräuhaus ist bis heute bayrisch-staatlich geblieben - und eine international erfolgreiche Marke mit «Franchise»-Hofbräuhäusern von Chicago bis Shanghai. Oberster Chef ist Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Der gebürtige Nürnberger Söder ist übrigens überzeugter Protestant. Wenn das Herzog Wilhelm wüsste.


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