Mo, 17.03.2014Wie ein warmer Regen - Glück und Wohlbefinden sind flüchtig, aber Glücksgefühle lassen sich trainieren

Ein Sechser im Lotto, eine glückliche Partnerschaft - das lässt sich
schwer planen. Glück ist nicht verfügbar. Aber ein bisschen lässt es
sich locken, sagen Wissenschaftler. Wenigstens das kleine Glück.

Bremen (epd). Chica und Benni knurren vor Vergnügen, wenn sie den
lockeren Boden auf der Suche nach Wühlmäusen durchpflügen. Am
liebsten toben die kleine Jack-Russell-Terrier-Hündin und der
Labrador-Mischling aber mit ihrem Frauchen Astrid Andrzejewski. «Noch
vor dem Frühstück zehn Minuten mit den Hunden durch den Wald - das
ist für mich pures Glück», sagt die 53-jährige Leiterin eines
Tagungshauses in der Nähe von Bremen. Dabei sammelt sie Kräfte für
den Tag.

Das Streben nach Glück ist ein grundlegendes menschliches Ziel,
heißt es in der UN-Resolution zum Internationalen Tag des Glücks am
20. März. Aber kann man Glück planen? Das große Glück, Gesundheit,
ein Sechser im Lotto, eine erfüllende Partnerschaft - das wohl nicht,
urteilt Astrid Andrzejewski. Aber in kleinen Schritten könne man
etwas dafür tun. «Wenn ich singe, wenn ich in der Werkstatt arbeite,
wenn ich in der Natur unterwegs bin und Rehen oder einem Silberreiher
begegne, dann bin ich glücklich.»

Glück bleibt grundsätzlich ein flüchtiges Gut und stellt sich
nicht auf Bestellung ein, wie auch der Bremer Soziologe und
Glücksforscher Jan Delhey weiß. Ein Rezept für einen perfekten Tag
gibt es nicht, aber: «Ich kann natürlich den Tag mit Menschen planen,
die mir gut tun.» Und wer eher das halbleere Glas sieht, wem es an
Optimismus fehlt, der könne das Empfinden von Glücksgefühlen sogar
trainieren, sagt der Professor der Bremer Jacobs University. Das geht
beispielsweise mit einem «Dankbarkeitstagebuch»: Einfach für eine
gewisse Zeit täglich ein paar Dinge notieren, für die man dankbar ist
- als Mittel gegen Ärger und düstere Grübeleien.

Trotz aller Vorbehalte, was das planbare Glück angeht: Delhey hat
Faktoren ausgemacht, die nachweislich die Chance für einen Glückstag
erhöhen. Der Soziologe spricht von einem «Dreieck des Wohlbefindens».
Haben, Lieben, Sein - das sind für ihn die Säulen, auf denen das
Glück im Alltag ruht. «Das Haben sind die materiellen
Lebensbedingungen, das Lieben meint Partnerschaft und soziale
Beziehungen, das Sein umschreibt das, was wir mit unserem Leben
anfangen, wie aktiv wir sind, welche Ziele wir haben.»

Einen richtigen Flow-Effekt, einen Glücks-Flash, erlebt Astrid
Andrzejewski zuweilen, wenn sie mit Holz gestaltet und die Dinge gut
gelingen. Gerade steht sie an der Bandsäge und schneidet die Bauteile
für ein Holzpferd zurecht. Im Wald am Tagungshaus hat sie ein
Baumstamm-Xylophon konstruiert, unweit davon steht ein großes
Glockenspiel, ein hölzernes Gerüst mit Glocken unterschiedlichster
Größen. Wieder ein paar Meter entfernt schlängelt sich ein
Barfuß-Pfad, von ihr angelegt.

«Wenn ich auf das Glück warten würde», meint Andrzejewski, «würde
ich wohl nie glücklich sein. Ich will etwas dafür tun, ich will aktiv
werden.» Dann spricht sie aber doch vom großen Glück, das sie immer
dann genießt, «wenn die Beziehung zu den Kindern und zu meinem Mann
gut läuft, wenn man sich Freiräume lässt und zusammen alt werden
will».

Haben, Lieben, Sein - diese Faktoren spielen auch in ihrem Leben
eine zentrale Rolle, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeiten auch
unterschiedlich gewichtet sein können. «Wenn ein Pfeiler ganz
wegbricht, ist es schwierig mit dem Glück», sagt Delhey. Aber man
müsse nicht in allen drei Bereichen Spitze sein. «Es geht beim Glück
nicht um Höchstleistung. Ein gesunder Dreiklang, der macht es aus.»

Perfekt wird das persönliche Glück allerdings erst mit dem
richtigen gesellschaftlichen Umfeld. Für eine entsprechende Studie
hat Delhey Daten aus 30 europäischen Ländern analysiert und
herausgefunden, dass sich die Europäer dann weniger wohlfühlen, wenn
die Kluft zwischen Arm und Reich groß ist. «Europäer wollen Wohlstand
und Einkommensgleichheit», kommentiert der Forscher, «und zwar in
dieser Reihenfolge».

Noch wichtiger als Gleichheit ist nach seinen Erkenntnissen eine
solidarische Gesellschaft. «Der Zusammenhalt, das soziale
Miteinander, das sind starke Faktoren für das Glück, stärker noch als
eine reine Gleichverteilung von Einkommen und Ressourcen.»
Gesellschaften mit vielen sozial engagierten Menschen, mit sozialem
Potenzial also, haben seinen Untersuchungen zufolge ein deutlich
höheres Glücksniveau: «Das ist ein Regenmachereffekt für alle - für
diejenigen, die sich engagieren und für die, die etwas empfangen.»

Ein Glück nur, dass Glück selbst in einer sozial organisierten und
einigermaßen gerechten Gesellschaft flüchtig bleibt. «Wenn wir
ständig glücklich wären mit unserer Situation, würden wir untätig
werden», meint Delheys Kollege, der Bremer Psychologie-Professor
Arvid Kappas. «Es ist die stete Suche nach dem Glück, die uns
motiviert und antreibt.»

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