Mo, 07.02.2011Schneider fordert verantwortlichen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan

Düsseldorf/Hannover (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, hat nach seinem dreitägigen Afghanistan-Besuch für eine zügige und vollständige Übergabe der Sicherheitsaufgaben von der Bundeswehr an die afghanischen Kräfte plädiert. Der Abzug müsse verantwortlich angegangen werden und er müsse bald geschehen, sagte Schneider am Sonntag in Düsseldorf. «Deutsche Soldaten dürfen nicht zu Besatzern werden», sagte der oberste Repräsentant von rund 25 Millionen Protestanten mit Blick auf die zehnjährige Präsenz der Bundeswehr am Hindukusch.

Der erste Zweck der Reise nach Nordafghanistan sei der Besuch der Soldatinnen und Soldaten gewesen, betonte Schneider. Viele Soldaten seien Gemeindeglieder: «Und ordentliche Pfarrer besuchen ihre Leute.» Er sei beeindruckt gewesen, wie intensiv die Angehörigen der Bundeswehr ihren Einsatz und ihre persönliche Situation reflektierten. Die Soldaten betonten selbst, dass sie sich schuldig machten, wenn sie Menschen töten. Ebenso empfänden sie Schuld, wenn sie nichts zum Schutz der Bevölkerung unternähmen, schilderte der Ratsvorsitzende.

Diesem «friedensethischen Dilemma» müsse sich auch die Kirche verstärkt stellen, mahnte der Theologe, der auch Präses der rheinischen Landeskirche ist. Die Kirche könne den Soldaten bei ihrem Auslandseinsatz nicht die ethische Gewissheit geben, das Richtige zu tun. Friedensethisch sei der Einsatz der Bundeswehr aus seiner Sicht lediglich «hinnehmbar». Schneider, der auch Projekte nichtstaatlicher Hilfsorganisationen besuchte, verwies zugleich auf Fortschritte beim zivilen Aufbau: «Es gibt Hoffnung in Afghanistan, aber es ist Hoffnung auf dünnem Eis.»

Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms, der Schneider begleitet hatte, sagte, er bezweifle, dass «die deutlich offensivere Strategie der ISAF-Truppen in Afghanistan mit der bisherigen friedensethischen Ausrichtung der evangelischen Kirche in Einklang zu bringen ist». Der leitende Bremer Theologe Brahms beklagte, dass die Ende Januar im Bundestag beschlossene Mandatsverlängerung der Bundeswehr eine rein militärische gewesen sei. Er vermisse ein ziviles Mandat für Entwicklungshilfe und Wiederaufbau in Afghanistan.

Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann sieht mit Blick auf das deutsche Engagement Anlass zu «vorsichtigem Optimismus». Zugleich betonte er nach der Reise der EKD-Vertreter: «Nicht erst heute, aber heute ganz besonders habe unsere Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch darauf zu erfahren, für welche Zwecke die Bundesrepublik ihre Streitkräfte einsetzt und für welche nicht.» Diese Frage sei nach dem Ende des Kalten Krieges bis heute nicht wirklich beantwortet worden. Auch die Soldaten forderten ein eindeutiges sicherheitspolitisches Gesamtkonzept, betonte Dutzmann.

Schneiders Amtsvorgängerin Margot Käßmann hatte als EKD-Ratsvorsitzende in ihrer Neujahrspredigt 2010 den Bundeswehr-Einsatz heftig kritisiert. Vor allem ihr Satz «Nichts ist gut in Afghanistan» löste eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Schneider sagte dazu in einem Interview der «Frankfurter Rundschau» (Samstagsausgabe), die Aussage sei «politisch absolut richtig» gewesen. Die frühere hannoversche Landesbischöfin Käßmann habe eine notwendige Debatte über die Probleme des ISAF-Einsatzes ausgelöst, die finanziellen Mittel für den zivilen Aufbau seien inzwischen verdoppelt worden.

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