Fr, 06.11.2009Runder Tisch Heimkinder beschäftigt sich mit Verantwortung der Kirchen bei Misshandlungen

Berlin/Hannover (epd). Gehorsam und Strafen prägten die Erziehung in den konfessionellen Kinder- und Jugendheimen der frühen Bundesrepublik. Der bundesweite Runde Tisch Heimerziehung beschäftigte sich am Donnerstag in Berlin mit der Verantwortung der Kirchen für die Zustände in der Heimerziehung von den 50er bis in die 70er Jahre. Von insgesamt 800.000 Heimkindern in dieser Zeit lebten rund 500.000 Kinder und Jugendliche in konfessionellen Einrichtungen der kirchlichen Wohlfahrt und von Ordensgemeinschaften.

In Niedersachsen wuchsen insgesamt rund 50.000 Kinder in Heimen auf. Dort hatten mindestens 77 Heime Jugendliche aufgenommen, drei Viertel der Einrichtungen wurden von kirchlichen Trägern geführt. Als erste evangelische Kirche in Deutschland hat die hannoversche Landeskirche und ihre Diakonie bei einer Tagung im Oktober ehemalige Heimkinder um Vergebung für erlittenes Unrecht in der Nachkriegszeit gebeten. In den Einrichtungen der kirchlichen Jugendfürsorge sei es häufig zu Gewalt und massivem psychischen Druck gekommen, heißt es in der Erklärung.

Der Bochumer Theologe und Kirchengeschichtler Traugott Jähnichen berichtete dem Runden Tisch in Berlin, dass das System von Gehorsam und Strafen wie Essensentzug, Demütigungen, Prügeln und Einsperren in den 60er Jahren erstmals überdacht worden sei. Jähnichen erforscht gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Wim Damberg die konfessionelle Heimerziehung. Reformen seien jedoch zunächst kaum umgesetzt worden. Das Personal sei schlecht ausgebildet, überfordert und aufgrund der stark zurückgehenden Zahl von Ordensmitgliedern zunehmend überaltert gewesen.

Jähnichen plädiert für eine Entschädigung der ehemaligen Heimkinder, die unter Zwang und ohne Lohn und Sozialversicherung arbeiten mussten. Die Kirchen müssten die Betroffenen umfassend rehabilitieren, sagte er dem epd.

Der Runde Tisch unter Leitung der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer soll bis Ende 2010 die Geschichte der Heimerziehung aufarbeiten und eine Lösung für die Entschädigung von ehemaligen Heimkinder vorschlagen. Ein Zwischenbericht soll Ende Januar 2010 vorliegen. Dem Gremium gehören Vertreter der Heimkinder, der Kirchen, von Bund und Ländern, Wissenschaftler sowie Jugendhilfe-Experten an.

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