Mo, 28.03.2011Respektvoller Dialog - Palliativmediziner, Pflegende und Seelsorger diskutieren in Bremen über ärztlich begleiteten Suizid

Bremen (epd). Was tun, wenn die Schmerzen am Ende des Lebens übermächtig werden? Wenn es in der Medizin keine Mittel mehr gibt, dem Leid zu begegnen? Ist der ärztlich assistierte Suizid dann ein ethisch verantwortbarer Ausweg? Das sind die Leitfragen, mit denen sich der 7. Bremer Kongress für Palliativmedizin an diesem Wochenende auseinandergesetzt hat. In bemerkenswerten Diskussionen, selbst in der Kontroverse immer von Respekt getragen, rangen mehr als 600 Ärzte, Psychologen, Seelsorger, Sozialarbeiter und Pflegekräfte aus ganz Deutschland um Klarheit.

Wenn dabei eines deutlich wurde, dann das: Diese Klarheit, ein allgemeingültiges Rezept, was wann zu tun ist, gibt es nicht. Es kommt immer auf den «Einzelfall» an, auf das Individuum mit seinem Leid. Das gilt auch, nachdem die organisierte Ärzteschaft in jüngster Zeit von ihrer Verurteilung der Sterbehilfe etwas abgerückt ist. Ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung sei «keine ärztliche Aufgabe», heißt es in den überarbeiteten Grundsätzen zur Sterbebegleitung, die die Bundesärztekammer im Februar vorgestellt hat. Bislang hieß es darin, eine Mitwirkung des Arztes beim Suizid widerspreche dem ärztlichen Ethos.

«Die Palliativmedizin kann in seltenen Fällen nicht helfen», bekräftigte der Berliner Notfallmediziner Michael de Ridder ein. Sei es, dass ihre Mittel versagten, sei es, dass ein Patient eine palliativmedizinische Behandlung aus plausiblen Gründen ablehne. Unter Palliativmedizin wird im engeren Sinn eine Behandlung belastender Symptome wie Schmerzen oder Atemnot bei schwerstkranken und sterbenden Menschen verstanden. Ziel ist es, ihre Lebensqualität zu bewahren und ihnen ein Sterben in Würde zu ermöglichen.

Wenn das nicht gelingt, kommt für de Ridder ein ärztlich assistierter Suizid infrage. Die wichtigste Aufgabe des Arztes sei die Heilung, betont der Mediziner. Aber der Auftrag, für ein gutes Sterben zu sorgen, sei ethisch gleichrangig. Doch für den Chefarzt der Rettungsstelle Vivantes Klinikum Am Urban gibt es eine wichtige Voraussetzung: «Wir müssen vorher alles tun, was in schwerster Krankheit hilft - dazu gehört auch die größtmögliche menschliche Zuwendung.»

Wenn alles ausgereizt sei, dürften die Patienten nicht der organisierten oder gar kommerzialisierten Sterbehilfe überlassen werden, warnte de Ridder. «Wir müssen uns der außergewöhnlichen Leidenssituation dieser Kranken stellen, denn auch sie haben moralisch ein Anrecht auf angemessene Hilfe.» So sah es auch Petra de Jong aus Amsterdam, Direktorin der «Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende» (NVVE). Sie setzt sich für offene Diskussionen über das Thema ein, wie es sie in Bremen gab - auch, um Missbrauch zu verhindern.

Der Göttinger Palliativmediziner Bernd Alt-Epping dagegen kann eine Assistenz nicht verantworten. Der Suizid stehe im Widerspruch zum Leben, betonte der Oberarzt. Und der Chefarzt der Palliativstation am Universitätsklinikum Erlangen, Christof Ostgathe, warnte vor der unterentwickelten Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland: «Erst wenn wir hier gut sind, können wir über weitergehende Schritte reden.»

Immer wieder ging es in der Diskussion um Kriterien für den ärztlich assistierten Suizid. Kann das beispielsweise unerträgliches Leid sein? Doch was ist unerträgliches Leid? Für den einen Menschen vielleicht ein Schmerz, der schier wahnsinnig macht, für den anderen die verlorene Jugend. Hier war sich der Kongress einig: Unerträgliches Leid erleben Menschen individuell. Das zu einem rechtlich handhabbaren Kriterium zu erheben, wird also schwierig. Nicht zuletzt deshalb sind viele Ärzte gegen eine Regelung des Gesetzgebers.

Wie schwierig die Debatte insgesamt ist, machte am Ende die katholische Pastoralreferentin Ulrike Ernsing deutlich. Sie hat lange auf der Bremer Palliativstation am Klinikum Links der Weser gearbeitet und ist nun Seelsorgerin im Hans-Susemihl-Krankenhaus Emden. «Für mich ist das Leben heilig», sagte sie in einer bewegenden Stellungnahme. Aber Würde im Sterben habe auch etwas mit Selbstbestimmung zu tun. Ernsing zweifelte im Gegensatz zu ihrer Kirchenleitung: «Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht in Einzelfällen nötig ist, beim Suizid zu helfen.»

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