Di, 07.07.2009Mit Anker-Anke auf Kaperfahrt - Diakonin Anke Rieper ist Norddeutschlands einzige Seelsorgerin in einem Freizeitpark

Soltau (epd). Anke Rieper braucht viel Schminke, um sich für den Abend herzurichten. Auch ihre Arbeitskleidung ist für eine evangelische Seelsorgerin ungewöhnlich. Die Diakonin schlüpft in Schaftstiefel, Kniebundhosen und eine rote Weste. Sie schiebt einen Hut über ihr langes Haar und schmiert sich eine dicke Schicht brauner Farbe ins Gesicht. «Piraten müssen dreckig aussehen», sagt die 26-Jährige und malt sich als Clou eine große schwarze Lücke auf die Schneidezähne. Die wilde «Anker-Anke» erregt im «Holiday Camp» überall Aufmerksamkeit. Im Heidepark Soltau, zu dem das Feriendorf gehört, hat Anke Rieper eine besondere Rolle, nicht nur wenn sie als Piratin auftritt. Seit knapp einem Jahr ist die Diakonin speziell für die Seelsorge in dem mit jährlich rund 1,4 Millionen Besuchern größten Freizeitpark Norddeutschlands angestellt. Ein ähnliches Angebot hat bundesweit nur noch der Europapark Rust in Baden-Württemberg. Anke Rieper teilt sich mit Schauspielern, Sängerinnen und Artisten nicht nur den Gaderobenraum. Sie gehört auch sonst zu dem Team, das Shows und Animationsprogramme gestaltet. Wenn die Fahrgeschäfte im Heidepark am Abend schließen, geht die Unterhaltung im Hotel und dem benachbarten Feriendorf mit Fußballturnieren, Strandolympiaden oder einer Schatzsuche weiter. Anker-Anke zieht dann genauso wie ihre Kollegen im Piratenkostüm durch die Anlage und lädt die Gäste dazu ein. «Dreimal im Monat schrubbe ich mir die Zähne mit dem Besen vom Bootsdeck», sagt die aus dem Alten Land bei Hamburg stammende Diakonin und spinnt in breitestem Norddeutsch ihr Seemannsgarn.
Schnell kommt sie ins Gespräch, bei dem es dann oft rasch um mehr als ihre aufgemalte Zahnlücke geht. Denn sie sagt auch, dass sie Mitarbeiterin der Kirche ist. Bei der Schatzsuche bringt sie Kindern ein furchterregendes Piratenknurren bei. Und sie erzählt ihnen Geschichten wie die von «der Landratte Jesus», der einen Sturm stillen und den Menschen die Angst nehmen konnte. Anke Rieper hat zunächst Konditorin gelernt und dann in England und der Schweiz gearbeitet. Für ihre Abschlussarbeit als Diakonin beschäftigte sie sich mit Thesen des Freizeitforschers Horst W.
Opaschowski, der in Einkaufszentren und Freizeitparks die Kathedralen des 21. Jahrhunderts sieht. «In der heutigen Zeit gibt es viele Menschen, die nicht mehr zur Kirche, wohl aber in den Freizeitpark gehen», erläutert sie: «Da ist es doch naheliegend, gerade diesen Menschen dort in ihrer Freizeit zu begegnen.» Dass sich die Kirche zwischen Achterbahn und Animationsprogramm engagiert, sei «ein Wagnis, das sich lohnt», sagt der leitende Soltauer Theologe, Superintendent Heiko Schütte. Nirgendwo sonst gebe es in Niedersachsen so viele Touristen wie in die Lüneburger Heide um Soltau. «Zwei Drittel von ihnen sind im Alltag noch nie mit der Kirche in Kontakt gekommen.» Bezahlt wird die Diakonin nicht nur vom Kirchenkreis Soltau und der hannoverschen Landeskirche, die dafür Geld aus einem Fonds für innovative Projekte gibt. Auch der Vergnügungspark lässt sich ihre Arbeit etwas kosten und trägt die Hälfte der Stelle. Heidepark-Geschäftsführer Hannes Mairinger hat vor mehr als fünf Jahren die Zusammenarbeit mit der Kirche angeregt. «Wir wollen hier neben dem reinen Spaß auch Möglichkeiten der Ruhe und Besinnung anbieten», erläutert er. Allerdings habe es lange gedauert, das richtige Modell und die richtige Besetzung zu finden. «Eigentlich erwartet man keine Kirche hier, aber wenn die Einstiegsschwelle flach genug ist, hat sie die Chance, die Leute abzuholen.» Ein Kreischen umgibt die Attraktionen des Heideparks wie den Freifall-Turm «Scream» und «Colossos», die größte Holzachterbahn der Welt, die mit bis zu 120 Stundenkilometern abwärts saust. Zu den Besonderheiten auf dem Gelände gehört aber auch eine kleine Kapelle aus dem 14. Jahrhundert. In einem «Briefkasten an Gott» können Besucher dort Gebete hinterlassen. Ganz ohne Verkleidung hält Anke Rieper in dem schlichten Raum regelmäßig Kurzandachten - mal vor drei, mal vor zwanzig Zuhörern. Nirgends im Park ist es so ruhig, auch wenn noch Musik hereindringt. Die Tür steht bei den Andachten immer offen, denn die Diakonin weiß: «Viele stolpern einfach aus Neugierde rein.»

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