Mi, 13.04.2011Kriminologin warnt: Kinder nicht zu Opfern erziehen

Rotenburg/Wümme (epd). Die Soziologin und Kriminologin Melanie Wegel hat Eltern davor gewarnt, Kinder übertrieben behütet und ängstlich zu erziehen. Dadurch seien sie bei Mobbing-Angriffen beispielsweise in der Schule und später am Arbeitsplatz mehr als andere in der Gefahr, in eine Opferrolle zu geraten, warnte die Tübinger Wissenschaftlerin am Dienstag bei einem Präventionstag im Diakonie-Mutterhaus Rotenburg bei Bremen. Eine Studie des Tübinger Institutes für Kriminologie habe ergeben, dass selbstbewusste und selbstständige Kinder weniger gemobbt würden.

Die Tübinger Wissenschaftler haben unter mehr als 3.000 Kindern, Jugendlichen, Studenten und Angestellten Mobbing in Schulen und Universität untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass üble Nachrede, Beschimpfungen und die gefühlte Benachteiligung durch Lehrer ganz oben auf der Liste der Mobbing-Angriffe stehen. Körperliche Gewalt, Erpressung und Diebstahl unter Jugendlichen folgen erst im letzten Drittel. Wer zu Hause durch das Vorbild der Eltern nicht gelernt habe, konstruktiv mit Streit umzugehen, sei überdurchschnittlich oft betroffen, bilanzierte Wegel.

Internationale Studien zeigen, dass zwischen 15 und 32 Prozent aller Schüler Mobbing-Erfahrungen haben. Das Kriminologische Forschungsinstitut in Niedersachsen hat zudem herausgefunden, dass Mobbing-Opfer auch sonst doppelt so oft Gewalt erleiden müssen. Ein Schulwechsel löse das Problem oft nicht, sagte Wegel. «Jeder zweite Betroffene wird an der neuen Schule wieder zum Opfer.» Es komme darauf an, das Auftreten der Kinder zu ändern, indem ihr Selbstbewusstsein gestärkt werde, «zum Beispiel mit Karate-Training oder Jiu Jitsu».

Der Rotenburger Chefarzt Bernhard Prankel riet eher zu sozialem Training. Betroffene müssten beispielsweise in Rollenspielen lernen, wie sie Grenzen ziehen und Hilfe holen könnten, sagte er dem epd. Dem Leiter der diakonischen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie kommt es aber auch darauf an, nach den Ursachen in der Schule zu forschen.

Das Schulklima könne Mobbing verhindern, sagte Prankel. «Offenheit im Umgang miteinander, präsente Lehrer, Zivilcourage und eine Streitkultur an der Schule sind Schutzfaktoren.» Diese entstünden aber weder in der Familie noch in der Schule von selbst: «Da heißt es üben, üben, üben - wie beim Klavierspielen.»

Den Fachtag zum Thema Mobbing in der Schule organisierte die Polizei in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Diakoniekrankenhaus. Mobbing dürfe nicht verharmlost werden, warnte Karin Stabbert-Flägel von der Polizeidirektion Rotenburg vor Gästen aus ganz Niedersachsen. «Dahinter verbergen sich oft schwerwiegende Straftaten wie Sachbeschädigung, Körperverletzung und Raub.»

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