Fr, 05.06.2009Evangelisches Sozialwerk will Einrichtungen der Caritas übernehmen

Hannover/Berlin (epd). Erstmals in Deutschland will ein evangelisches Sozialwerk mehrere Einrichtungen der katholischen Caritas übernehmen. Der Caritas-Verband Hannover sei mit dem Evangelischen Johannisstift in Berlin handelseinig über den Verkauf von fünf defizitären Alten- und Pflegeheimen geworden, sagte der katholische Regionaldechant Martin Tenge am Freitag in Hannover dem epd. In den Heimen kümmern sich rund 580 Beschäftigte um etwa 530 Bewohner und weitere 250 Patienten in der ambulanten Pflege. Nach den Sommerferien müssten die Mitarbeiter den Plänen noch zustimmen.

«Das ist aus einer Notlage heraus geboren worden», sagte Tenge.
«Wir standen kurz vor der Insolvenz und hatten bereits einen Termin beim Amtsgericht.» Über den Diözesan-Caritasverband in Hildesheim sei dann der Kontakt zu dem Berliner Träger entstanden, der expandieren wolle. Der Regionaldechant bezeichnete den geplanten Verkauf als «glückliche Variante»: «Wir übertragen ja nicht nur einen technisch funktionierenden Betrieb, sondern auch eine spirituelle Grundhaltung, und die weiß ich dort in guten Händen.»

Tenge machte vor allem die hohen Personalkosten für die wirtschaftlichen Probleme der Heime verantwortlich: «Die Schere von Ausgaben und Einnahmen ist nicht mehr zu schließen.» Für die Beschäftigten könne eine Übernahme zwar Einbußen bringen, dies sei aber immer noch besser als eine Insolvenz. Scharfe Kritik übte er an den Sätzen der Pflegekassen in Niedersachsen. Diese orientierten sich an den geringeren Löhnen der privaten Träger und nähmen nicht wahr, was die Wohlfahrtsverbände leisteten.

Der Regionaldechant sprach von einem «sozialpolitischen Skandal.» Die privaten Anbieter zahlten Löhne, «die wir ethische für nicht mehr verantwortbar halten». Die Beschäftigten in den Pflegeheimen leisteten «einen guten und harten Job», der Wertschätzung verdiene. Sie hätten ein Recht darauf, ihre Familien von ihrem Verdienst ernähren zu können, sagte Tenge als Vorstandsvorsitzender des Caritas-Verbandes Hannover.

Er forderte Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) auf, Druck auf die Pflegekassen auszuüben: «Damit das Land bei den Pflegesätzen nicht dasteht wie der letzte Henker.» Unter den westlichen Bundesländern bilde Niedersachsen das Schlusslicht in der Altenpflege. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Caritas in Niedersachsen vor einem «Kollaps» bei den Alten- und Pflegeheimen gewarnt und eine «Pflegealarm» ausgerufen.

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