Mo, 21.02.2011Erster Neubau einer liberalen Synagoge in Deutschland in Hameln eingeweiht

Hameln (epd). Mit feierlichen Gesängen und Gebeten hat die Jüdische Gemeinde in Hameln am Sonntag den ersten Neubau einer liberalen Synagoge in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eingeweiht. «Jede Einweihung einer neuen Synagoge ist ein deutliches Signal, dass wir unsere Zukunft ernst nehmen und bereit sind, hier Wurzeln zu schlagen», sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Zugleich warnte er davor, den Rechtsextremismus zu unterschätzen und einen Schlussstrich unter die Bewältigung der Nazi-Vergangenheit setzen zu wollen. Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) überbrachte die Glückwünsche der Landesregierung.

Das neue Gemeindezentrum «Beitenu» («Unser Haus») entstand nach neun Monaten Bauzeit genau am Standort der früheren, 1879 errichteten Synagoge. Diese war in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 von den Nazis zerstört und wenig später auf Kosten der damaligen jüdischen Gemeinde abgerissen worden. Bei den Ausschachtungsarbeiten für den Neubau fanden sich in dem mit Bauschutt aufgefüllten Keller der alten Synagoge noch bunte Glasscherben und Porzellanteile. Sie sollen im Hamelner Museum ausgestellt werden.

Der «Ungeist der Vergangenheit» sei leider immer noch lebendig, sagte Kramer. Das zeigten die Ausschreitungen in Dresden und Leipzig am Wochenende mit Tausenden von Rechtsextremisten aus ganz Europa oder die täglichen Provokationen der NPD. «Wir müssen feststellen, dass nicht alle aus der Vergangenheit die nötigen Lehren gezogen haben.» Kramer rief dazu auf, jedem Menschen Respekt und Würde entgegenzubringen, und berief sich dabei auf die Bibel und die
Menschenrechte: «Wird einer diffamiert, so werden wir alle diffamiert.»

Unter einem Baldachin brachten Jugendliche aus der Gemeinde die Tora-Rolle mit den fünf Büchern Mose in den heiligen Schrein, traditionell wurde dazu der Schofar geblasen, das jüdische Widderhorn. Die in blaues Tuch gehüllte und mit Silber verzierte Rolle wurde vor 100 Jahren in Deutschland geschrieben und gelangte später nach Israel und die USA. Durch die Vermittlung der Rabbinerin Jo David aus New York kam sie jetzt nach Hameln. Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Hameln sowie Spender aus New York hatten dafür Geld gesammelt.

Kultusminister Althusmann sagte, die Einweihung sei «ein historischer Tag für Niedersachsen». Die jüdische Kultur habe Deutschland über Jahrhunderte wesentlich mitgeprägt. «Es ist mir persönlich und der Landesregierung ein ganz wichtiges Anliegen, dass sich jüdisches Leben in unserem Bundesland wieder sehr fest verwurzelt und frei entfalten kann», unterstrich der Minister. Noch vor 20 Jahren hätten in Niedersachsen nur 600 Juden gelebt, heute seien es rund 9.000.

Der zweigeschossige Neubau in Form einer Ellipse nach Plänen des Architekten Frank Taylor bietet Platz für bis zu 164 Menschen. Im Obergeschoss sind eine Bibliothek und ein Beratungsraum untergebracht. An den Kosten von rund einer Million Euro beteiligen sich die Stadt Hameln und der Landkreis Hameln-Pyrmont gemeinsam mit einem Drittel. Ein weiteres Drittel kommt vom Land Niedersachsen. Den Rest bringt die «Stiftung Liberale Synagoge Hameln» aus Spenden und Darlehen auf.

Zur 1997 gegründeten liberalen Jüdischen Gemeinde Hameln gehören heute rund 200 Gemeindemitglieder, vor allem Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Im liberalen Judentum sind Frauen den Männern religiös gleichgestellt.

Pressestelle

Kann die Pressestelle etwas für Sie tun? Hier finden Sie den Kontakt zu uns.