Di, 10.11.2009EKD-Ratsvorsitzende für offizielles Volkstrauertag-Gedenken an in Kriegen vergewaltigte Frauen

Hannover (epd). Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat sich dafür ausgesprochen, am Volkstrauertag im November offiziell an in Kriegen vergewaltigte Frauen zu erinnern. «Am Volkstrauertag sollten wir nicht nur der toten Soldaten und Widerstandskämpfer gedenken, sondern auch der Frauen, die in Kriegen sexuell missbraucht wurden», sagte Käßmann am Montagabend bei einem Podiumsgespräch mit der alternativen Nobelpreisträgerin Monika Hauser in Hannover.

Die Gynäkologin Hauser ist die Gründerin der Kölner Hilfsorganisation «medica mondiale», die sich seit dem Bosnienkrieg Anfang der 1990er Jahre weltweit um die Opfer sexueller Kriegshandlungen kümmert. Nach ihrem Einsatz für die bosnischen Frauen, die Opfer von Massenvergewaltigungen wurden, habe sie immer mehr Zuschriften auch von älteren deutschen Frauen erhalten, sagte sie. Hunderttausende seien im zweiten Weltkrieg vergewaltigt worden, ein Großteil habe bis ins hohe Alter aus Scham darüber geschwiegen.

Hauser kritisierte, dass das Schicksal dieser Frauen bis heute öffentlich und offiziell ignoriert werde: «Die Betroffenen haben weder Anerkennung noch Entschädigung für die ihnen widerfahrene Gewalt bekommen.» Dabei sei die Liste der Opfer lang. Sie reiche von jüdischen und Roma-Frauen in den Konzentrationslagern über Widerstandskämpferinnen bis zu denjenigen, die im Zuge der Befreiung bei Kriegsende von alliierten Soldaten vergewaltigt worden seien.

Viele litten noch immer unter chronischen Krankheiten und Depressionen. Deshalb habe sie 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges vor vier Jahren die Kampagne «Zeit zu sprechen» ins Leben gerufen. Ziel sei es, das Leiden der Frauen endlich öffentlich anzuerkennen und sie tatkräftig zu unterstützen, betonte Hauser.

Die hannoversche Landesbischöfin Käßmann sagte, die nicht bearbeiteten Traumata könnten in den kommenden Jahren zu einem großen Problem werden: «Es ist erschreckend, dass heute in vielen Alten- und Pflegeheimen Frauen leben, die ihr Schicksal ihr Leben lang verdrängt und verschwiegen haben.» Bei den Pflegekräften gebe es darüber in erster Linie Unkenntnis, der dringend abgeholfen werden müsse.

Hauser nannte als Beispiel eine alltägliche Situation in einem Seniorenheim, in der zwei Zivildienstleistende eine Bewohnerin im Halbdunkel ausgezogen hätten, um sie zu waschen. Als diese mit Panikattacken reagierte, seien die jungen Männer völlig irritiert gewesen.

Käßmann und Hauser sagten, sie wollten sich beide gezielt für das Schicksal der Frauen einsetzen. Dazu gehöre auch, Asylsuchenden in Deutschland, die in ihrer Heimat Gewalt erfahren hätten, ausreichende
Aufenthalts- und Therapiemöglichkeiten zu bieten.

Pressestelle

Kann die Pressestelle etwas für Sie tun? Hier finden Sie den Kontakt zu uns.