Fr, 26.10.2012Auf der Vespa nach Bethlehem

Oldenburger Ausstellung zeigt Entwicklung von Kinderbibeln über acht Jahrhunderte

Von Jörg Nielsen (epd)

Goliath als Wikinger, Maria und Josef auf dem Motorroller. Eine Ausstellung in Oldenburg zeichnet die Entwicklung der Illustrationen in Kinderbibeln über acht Jahrhunderte nach.

Oldenburg (epd). Die Weihnachtsgeschichte mal anders: Statt auf einem Esel lässt der Bibel-Comic-Zeichner Rüdiger Pfeffer die hochschwangere Maria und Josef auf einem Motorroller nach Bethlehem reisen. «Eigentlich ein logischer Schritt», sagt die Theologieprofessorin Christine Reents aus Oldenburg. Schon immer hätten sich Bibel-Illustratoren am Zeitgeist und den aktuellen Vorstellungen der Menschen vom biblischen Land orientiert. Die Oldenburger Landesbibliothek zeigt vom 1. November an eine Auswahl von Illustrationen und Kinderbibeln aus fast acht Jahrhunderten - vom Holzschnitt bis zum Bibel-Comic.

Seit den ersten Kinderbibeln im 16. Jahrhundert sind rund 1.000 Titel erschienen, sagt die 81-jährige Theologieprofessorin, die seit Jahrzehnten Kinderbibeln erforscht. Für die Ausstellung hat sie 17 Motivreihen mit mehr als 100 Bildern und Bibeln zusammengestellt.

Als Vater der Kinderbibeln hat Reents den Reformator Martin Luther (1483-1546) ausgemacht. Der wollte mündige Christen und war der deshalb der Meinung, Kinder müssten mit sieben Jahren die ganze Heilige Schrift lesen können. Doch musste er feststellen, dass es mit dem Lesevermögen der einfachen Menschen nicht weit her war. «Das hat ihn wieder auf den Boden der Tatsachen geholt», sagte die Professorin. Also nutzte Luther die mediale Revolution seiner Zeit, den Buchdruck, und setze auf die Überzeugungskraft von Bildern.

Schon 1529 ließ er ein sogenanntes Passional für «kinder und einfeltige» drucken. Mit einprägsamen Holzschnitt-Bildern im Stile Albrecht Dürers (1471-1528) und ganz kurzen Texten zeigt es die Leidensgeschichte Jesu. Es war die erste Bibel, in der die Erzählbilder gleichberechtigt neben dem Text standen und nicht nur Schmuck waren. Für die Ausstellung kommt eine Originalausgabe aus Lindau am Bodensee nach Oldenburg.

«Interessant ist, wie sich die Bilder über die Jahrhunderte verändern», sagt Reents. Oft spiegeln sich darin die Gegenwartserfahrungen der Menschen. Im «Heilsspiegel», der um 1360 für wohlhabende Familien aufwendig und bunt hergestellt wurde, wird die Geschichte vom Hirtenjungen David erzählt, der den Riesen Goliath mit einer Steinschleuder tötet. «David wird hier als junger adretter Page mit blonden Haaren gezeigt, wie es an den deutschen Höfen Mode war. Goliath dagegen ist klar als Wikinger in Kriegsrüstung zu erkennen.»

Doch es gab auch Kinderbibeln als Gegenpol zur gesellschaftlichen Entwicklung, berichtet Reents: Als durch deutsche Städte bereits die Nazis marschierten und antijüdische Parolen brüllten, gab der Berliner Rabbiner Joachim Prinz zusammen mit dem Zeichner Heinz Wallenberg 1934 ein Buch mit Heldengeschichten aus der jüdischen Bibel heraus.

Für den Bibel-Referenten der hannoverschen Landeskirche, Jürgen Schönwitz, sind Kinderbibeln heute unverzichtbar. «Die sogenannten Vollbibeln sind reine Bleiwüsten ohne Bilder. Kinder brauchen dagegen kurze verständliche Texte und Bilder.» Viele Menschen behielten die Kinderbibel ein Leben lang in guter Erinnerung. Das zeige sich bei fast jeder Bibelausstellung: «Es sind die Erwachsenen, die sofort in die Ecke mit den Kinderbibeln gehen, um ihre alte Kinderbibel zu suchen.»

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